Architektur der Siedlung Breslauer Straße
Ab 1928 bis 1938 erbaute die GSG in Oldenburg-Osternburg 28 Wohnblöcke in der Breslauer Straße für junge Arbeiterfamilien der Glashütte, Post und Bahn. Die Architektur der Siedlung orientierte sich an der Wohnreformbewegung der 1920er Jahre: Es wurde großen Wert gelegt auf Licht, Luft und Grünanlagen, aber auch auf die ästhetische Anmutung.
Drei Häuserblöcke, die im zweiten Weltkrieg zerstört wurden, wurden nach dem Krieg wieder aufgebaut. Im Jahre 2005 hat die GSG den Abriss des einzigen Häuserblocks veranlasst, der nicht unter Denkmalschutz stand.
„Die östlich der Bahnlinie Oldenburg Osnabrück, zwischen Sand- und Herrenweg angelegte Straße wurde 1928 nach der schlesischen Hauptstadt benannt, wofür sich der Magistrat von Breslau bei der Stadt Oldenburg bedankte.
Die 1923 geplante und bis 1935 errichtete Siedlung besteht aus einer beidseitig schräg zum Straßenverlauf in einem Winkel von 45° angeordneten Bebauung mit 27 freistehenden Wohnhäusern, wobei die 12 Mittelgebäude der Anlage zugunsten einer kleinen „Allee“ mit platzartiger Erweiterung ebenfalls beidseitig aus der Fluchtlinie zurückgesetzt wurden.
Die Einzelhäuser wurden für jeweils 4-6 Familien als 2-geschossige Klinkerbauten unter Walmdach mit mittigem Eingang errichtet und verfügen jeweils auf der Nordwest- und Südostecke über einen 1-geschossigen über Eck gestellten Waschküchentrakt. Diese Überecksetzung trägt ebenso zur räumlichen und städtebaulichen Strukturierung der Umgebung bei, wie die straßenseitigen Vorgartenzonen, die durch kleine Erschließungswege getrennt sind und zum Teil als Gemüsegärten genutzt wurden.“ [1]
Der Grundriss der Wohnungen ist so gestaltet, dass der wenige Raum optimal genutzt werden kann: Die Wohnräume sind nahezu quadratisch, Nebenräume wie Flur und Bad sind sehr klein gehalten. Die Treppenhäuser nutzen den Raum unter den Schrägen intelligent aus. Diese architektonischen Bedingungen schaffen so vielfältige Möglichkeiten des Wohnens. Gemeinschaftsnutzbereiche wie Waschküche, Stall und Gärten ergänzen den knappen Wohnzuschnitt der Mehrfamilienhäuser.
Die Bauform und die Zuwegungen durch die Vorgärten gliedern die Räume in der Siedlung und ermöglichen die vielfältige Nutzung: Es gibt Zier- und Nutzgärten sowie naturnah belassene Flächen, Sitzecken werden als Begegnungs- aber auch als Rückzugsräume genutzt. In den Gärten finden sich neben Werkstätten und Ställen auch Kinderspielflächen und gemeinsam genutzte Wäschetrockenplätze. Historisch nutzten viele Arbeiterfamilien Gärten und Ställe für die Selbstversorgung. Und noch heute ist Gemüseanbau in der Straße gang und gäbe.
Viele Mängel an den Gebäuden wurden in den letzten Jahrzehnten von der (ehemaligen) Eigentümerin GSG nicht behoben. Teils ist deshalb die Bausubstanz inzwischen gefährdet. Nur einzelne Wohnungen wurden modernisiert. Aber viele Bewohner*innen haben Zeit, Arbeit und Geld in die Wohnungen gesteckt. Allgemein entsprach der Zustand von Wärmedämmung, Sanitär-, Heizungs- und Elektrikanlagen nicht mehr den heutigen Standards. Sowohl für den Erhalt der Bausubstanz als auch zum Wohl der Bewohner*innen sind Instandsetzungs- und Sanierungsarbeiten dringend notwendig.
Seit 2010 die ersten Häuser der Siedlung an die Wohngenossenschaft HunteWoGen eG verkauft wurden, wurde der Sanierungsstau systematisch behoben, die Elektrik- und Sanitäranlagen in vielen Wohnungen erneuert, Dachgauben und 2015/2016 die ersten Dächer neu gebaut. Privat an Mieter*innen verkaufte Häuser wurden zum Teil grundsaniert, aber auch zum Teil belassen.
Peter Reinig [2] schreibt u. a. über die Breslauer Straße: „Zu wünschen ist, dass ein erheblicher Teil der Siedlungen erhalten bleibt aufgrund des Zeugniswertes für den Siedlungsbau und der zum Teil hervorragenden Wohnqualität, die bei modernen Siedlungen oft nicht verreicht werden kann.“
Die Siedlung Breslauer Straße ist eines der raren Denkmale der Arbeitergeschichte in Oldenburg. Als Gesamtanlage ist die Siedlung somit ein erhaltenswertes Zeugnis sozialer Bau- und Wohnkultur. Aufgrund ihres außergewöhnlichen Ensembles wurde die Siedlung Ende der 70er Jahre als historisches Baudenkmal von der Denkmalfachbehörde des Landes Niedersachsen dokumentiert und verzeichnet.
Fußnoten
[1] So schreibt das Niedersächsische Landesamt für Denkmalpflege in einem Brief vom 19.06.2006: Die Häuser enthalten je vier bis sechs Wohnungen mit 23 bis 55 qm Wohnfläche. Oft sind diese von Einzelnen bewohnt. Durch die gemeinsame Nutzung mehrerer Wohnungen können auch Familien, Partnerschaften und FreundInnen in einem Haus zusammen leben.
[2] Peter Reinig, Dipl.-Ing., Baudirektor und ehemaliger Leiter des Bauordnungsamtes der Stadt Oldenburg, 1986.